Fiverr: Das neue Amazon?

Fiverr International Ltd.
Marktplatz für Freelancer
SitzIsrael
Marktkapitalisierung4,2 Milliarden Dollar
Enterprise Value3,8 Milliarden Dollar
Verschuldung0
Dividendenrendite0,0 %
TickersymbolFVRR
WKNA2PLX6
Datum21.08.2020

 

Die Coronapandemie sorgt für eine nicht möglich gehaltene Digitalisierungswelle. Das betrifft nicht nur viele Technologiemuffel in Deutschland, sondern ist überall auf der Welt zu beobachten. Laut dem Randstad-Arbeitsbarometer fühlen sich mittlerweile 78 % der deutschen Arbeitnehmer für eine digitale Arbeitsweise gerüstet. Vor Corona sah das noch ganz anders aus.

Die Pandemie hat, wenn auch gezwungenermaßen, für eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung bei deutschen Arbeitgebern geführt. Insgesamt 64 % haben in technische Entwicklung und digitale Lösungen investiert. So wurden beispielsweise neue Softwarelösungen zur Zusammenarbeit innerhalb von Betrieben eingeführt. Das Thema Online-Konferenzen hat eine völlig neue Bedeutung erlangt, Home-Office Möglichkeiten wurden teilweise massiv ausgebaut.

Diese Entwicklung hat dafür gesorgt, dass vor allem börsennotierte Unternehmen aus dem SaaS-Bereich (Software as a Service) oder dem Cloud-Sektor seit März eine unglaubliche Rallye hingelegt haben. Besonders gut ist das beispielsweise am Wisdom Tree Cloud Computing ETF abzulesen. Dieser vereint schnell wachsende Cloud-Unternehmen unter einem Dach. Die größten Positionen sind derzeit Fastly, Zoom, Docusign und Zscaler. Allesamt Unternehmen, die seit März stark gestiegen sind. So sieht auch der Chart des ETF seit dem Tief am 16.03.2020 beeindruckend aus.

 

Quelle: justetf.com

 

Daneben konnte auch der Online-Handel stark profitieren. So ist die Aktie des Versandhändlers Amazon im Jahr 2020 bereits um über 70 % gestiegen. Heute wollen wir uns ein Unternehmen genauer betrachten, welches (aus meiner Sicht) in den Medien manchmal reißerisch als die Amazon von morgen bezeichnet wird und ebenfalls vom digitalen Wandel profitieren sollte. Gemeint ist der israelische Marktplatzanbieter für Freelancer “Fiverr”.

 

 

Geschäftsmodell

Der Ursprung von Fiverr geht auf das Jahr 2010 zurück. Gegründet wurde das Unternehmen von Shai Wininger und Micha Kaufmann in Israel. Der Hauptsitz befindet sich in Tel Aviv. Bei Fiverr handelt es sich um eine Plattform, auf der man einerseits digitale Dienstleistungen einkaufen oder diese als Freelancer verkaufen kann. Die ersten angebotenen Leistungen waren Logodesign, Texte, Übersetzungen, Softwareprogrammierungen oder Videobearbeitung. Der Name des Unternehmens ergibt sich aus dem Mindestpreis für Leistungen auf der Plattform, nämlich 5 Dollar (fiver = Fünfer). Heute werden auch Dienstleistungen für mehrere tausend Dollar angeboten.

Quelle: Fimenpräsentation

 

Im Zeitraum von 2010 bis 2015 erhielt das Unternehmen von mehreren Investoren ein Gesamtkapital in Höhe von 110 Millionen Dollar. Bereits im Jahr 2012 wurden über 1,3 Millionen Dienstleistungen auf der Seite angeboten. 2013 gehörte die Seite in den USA bereits zu den beliebtesten 100 Webseiten, weltweit zu den beliebtesten 200. Ende 2013 wurde die erste iOS-App im App-Store von Apple veröffentlicht, Anfang 2014 folgte eine Android-App bei Google Play. Seit 2015 werden bei Fiverr auch Leistungen mit einem Preis von mehr als 5 Dollar lanciert.

Die Anfangszeit des Unternehmens war gepägt von Skandalen. So hatte beispielsweise der bekannte Youtuber PewDiePie im Jahr 2017 über Fiverr für Kleinstbeträge Aufträge vergeben, bei denen Menschen sich mit antisemitischen Postern filmen sollten. 2015 war Amazon gegen über 1.100 Fiverr-Anbieter vorgegangen, die auf der Plattform gegen Geld gefälschte Bewertungen auf Amazon.com angeboten hatten. Fiverr stritt diese Anschuldigen nicht ab und kooperierte mit Amazon. Zeitweise hatte Fiverr einen überaus schlechten Ruf. Mit seinen “Billig-Angeboten” wurde dem Unternehmen vorgeworfen, ungesundes Arbeitsverhalten zu fördern. Seit dem Jahr 2018 ist die überwiegende Anzahl der Nutzer zufrieden mit den Leistungen auf der Seite.

Die auf Fiverr angebotenen Dienstleistungen werden von der Firma selbst als “Gig” (Auftritt) bezeichnet. In den vergangenen Jahren ist die Gig-Economy stark am Wachsen. Freelancer steuern schon heute etwa 750 Milliarden Dollar zur jährlichen Wirtschaftsleistung der USA bei. Fiverr partizipiert als Marktplatz, der Freelancer und Kunden zusammenbringt, von der wachsenden Industrie. Für beide Seiten bietet die Plattform Vorteile. Während Freelancer so ihre Fähigkeiten vermarkten können, ohne eine eigene Seite oder Plattform aufbauen zu müssen, können Kunden schnell und effizient Leistungen ohne langen Suchprozess anfordern.

 

 

Quelle: Fimenpräsentation

 

Die Seite von Fiveer hat mittlerweile eine Größe erreicht, die für einen Netzwerkeffekt sorgt. So sind im Jahr 2020 weit über 2 Millionen Käufer auf der Plattform unterwegs. Kritiker des Geschäftsmodells merken an, dass dauerhafte Erträge unwahrscheinlich seien. Haben sich Freelancer und Käufer einmal gefunden, finden sie Wege, auch außerhalb von Fiverr miteinander Geschäfte abzuschließen. Dies trifft sicherlich in nicht unwesentlich vielen Fällen zu. Fiverr versucht dem, mit einem Bewertungssystem entgegen zu wirken. Freiberufler werden dazu animiert, positive Bewertungen auf der Plattform zu sammeln. Hat sich ein Anbieter erst einmal einen guten Ruf erarbeitet und sein Fiverr-Profil öffentlich vermarktet, rechnet die Firma mit weniger Abgängen. Als zusätzlicher Anreiz besteht ein BYOD-Programm (bring your own business), bei dem Freelancer ihre eigenen Kunden auf den Marktplatz bringen können. Fiverr streicht für diese dann keine Provision ein, sondern reicht diese an den Freelancer weiter. Das Unternehmen verspricht sich so einen rasanten Steigerungseffekt bei der Kundenzahl.

Damit sind wir auch am wichtigsten Punkt: Wie verdient das Unternehmen eigentlich Geld? Fiverr fungiert, wie beispielsweise Ebay, als Marktplatz, der Verkäufer und Käufer zusammen bringt. Hierfür erhält das Unternehmen eine Provision von 25 % auf alle Transaktionen. 5 % hiervon sind vom Käufer zu tragen, 20 % vom Verkäufer.

 

Quelle: Fimenpräsentation

 

Auf der Plattform werden mittlerweile Leistungen in etwa 300 Kategorien angeboten. Diese sind hier abrufbar. Die bekannteste und erfolgreichste Dienstleistung ist nach wie vor das Logo-Design. Seit Bestehen der Plattform wurde bereits eine Vielzahl von Meilensteinen erreicht. 2013 erreichte der erste Nutzer auf der Plattform einen Jahresumsatz von einer Million Dollar. Im Jahr 2018 erreichte die Anzahl der registrierten Nutzer erstmals die Zahl von fünf Millionen. Die durchschnittlichen Ausgaben eines Kunden erhöhten sich von 83 Dollar im Jahr 2015 auf 170 Dollar im Jahr 2019. Knapp 60 % der erzielten Umsätze stammen von Stammkunden.

 

 

Konkurrenz

Gerade bei Geschäftsmodellen wie dem von Fiverr ist die Betrachtung der Marktkonkurrenz sehr wichtig. Fraglich ist, ob bei der Firma ein Burggraben vorhanden ist. Die Initialisierung eines Marktplatzes ist durchaus auch durch die Konkurrenz möglich.

Einer der bekanntesten Mitbewerber dürfte die Seite upwork.com sein. Das Unternehmen ist seit Oktober 2018 an der Börse und derzeit noch nicht profitabel. Die Vergleichbarkeit mit Fiverr ist nur gering gegeben, da der Ansatz von Upwork ein völlig anderer ist. Anstatt Freelancern die Möglichket zu geben, ihre Leistungen auf dem Marktplatz anzubieten, können Unternehmen hier Anzeigen veröffentlichen. Diese finden so geeignete Mitarbeiter oder Teams für einzelne Projekte. Ein Unternehmen kann so mit einem Pool von Remote-Freelancern wachsen.

 

 

Quelle: Traderfox

 

Wie bei vielen anderen Unternehmen auch, ist der Aktienkurs von Upwork im Februar / März 2020 stark gefallen, bevor eine Erholung einsetzte. Der Höchststand wurde bisher noch nicht wieder erreicht.

Im Gegensatz zu Upwork ist der australische Anbieter Freelancer.com eher vergleichbar mit Fiverr. Das Unternehmen ist seit 2013 börsennotiert, hat allerdings zeitweise fast 80 % seines IPO-Werts verloren. Die Umsätze stagnieren ebenfalls. Zumindest momentan sieht es nicht danach aus, als könnte das Unternehmen Fiverr den Rang ablaufen.

Andere Anbieter wie crowdsite.com, moonlighting.com oder sulekha.com sind wesentlich kleiner als Fiverr und momentan keine große Konkurrenz. Ob in der Zukunft ein weiterer großer Player in das Marktsegment eintritt, wissen wir nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt hat Fiverr jedoch die Nase am weitesten vorne.

 

 

Kennzahlen

2019 beauftragte das Unternehmen die Citigroup und J.P. Morgan mit dem Börsengang an der NYSE. Dieser fand am 13.06.2019 zu einem Ausgabepreis von 21 Dollar statt. Am ersten Handelstag stieg der Aktienkurs um 90 % auf 39,90 Dollar. Die Steigerung war jedoch nicht von langer Dauer.  Im September 2019 notierte die Aktie im Tief bei 17,68 Dollar. Der Corona-Rutsch wurde sehr schnell wieder aufgeholt. Das letzte Hoch wurde Anfang August 2020 bei 122,87 Dollar erreicht.

 

Quelle: Traderfox

 

Der Plan für Wachstum und Rentabilität von Fiverr konzentriert sich auf zwei konkrete Kennzahlen: die Anzahl der Käufer auf seiner Plattform und die durchschnittlichen Ausgaben pro Käufer.  Am 19.02.2020 vermeldete das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von 107,1 Millionen Dollar.

Anfang August 2020 wurden die Ergebnisse für das zweite Quartal 2020 bekannt gegeben. Die aktiven Käufer nahmen hierbei überproportional von 2,5 auf 2,8 Millionen im Vergleich zum Q1 zu.

 

Quelle: Fimenpräsentation

 

Ebenfalls positiv entwickelten sich die Ausgaben der Käufer. Sie stiegen von durchschnittlich 177 Dollar auf 184 Dollar.

 

Quelle: Fimenpräsentation

 

Dies sorgte für einen Umsatzsschub von 34,2 Millionen Dollar im Q1 auf 47,1 Millionen Dollar in Q2.

 

Quelle: Fimenpräsentation

 

Der Jahresausblick für das Gesamtfiskaljahr 2020 geht von einer Umsatzsteigerung im Vergleich zu 2019 von deutlich über 60 % aus.

 

Quelle: Fimenpräsentation

 

Die Steigerungsraten beim Umsatz seit 2017 sind beachtlich. Das Unternehmen ist noch nicht profitabel, für das Jahr 2021 wird jedoch erstmals von einem positiven Ergebnis ausgegangen.

 

Quelle:Traderfox

 

Rein auf die Kennzahlen bezogen, scheint Fiverr ein lohnendes Investment zu sein. Die Frage, die sich dabei allerdings immer stellt ist: Zu welchem Preis? Seit dem Corona-Tief im März 2020 hat sich die Aktie zwischenzeitlich mehr als verfünffacht.

Nach dem HGI-Score des von mir sehr geschätzten Stefan Waldhauser (hier geht es zu seinem Blog) ist die Bewertung der Aktie mit einem derzeitigen EV/Sales Verhältnis von knapp 26 mehr als sportlich bewertet. Gleichzeitig ist die Bruttomarge mit über 80 % ein phänomenaler Wert. Fiverr beschäftigt gerade einmal etwa 420 Mitarbeiter.

 

Quelle: Traderfox

 

Ob man hier investieren möchte oder nicht, muss jeder natürlich selbst überlegen. Beim derzeitigen Kursniveau wäre ein deutlicher Rücksetzer nicht außergewöhnlich.

 

 

Fazit

Kommen wir zurück zum Titel des Artikels. Mit Aussagen wie: “Das Unternehmen könnte das neue Amazon werden!” wäre ich sehr vorsichtig. Der Weg zum Billionen-Unternehmen ist sehr weit und mit vielen Unwägbarkeiten gepflastert. Letzlich kann sich das Unternehmen auch noch als Rohrkrepierer entpuppen und pleite gehen. Definitiv also kein Titel zum liegenlassen und nie wieder anschauen.

Ich persönlich bin zum jetzigen Stand vom Geschäftsmodell und den Aussichten von Fiverr überzeugt. Deshalb habe ich mich trotz der hohen Bewertung zu einer Investition entschlossen. Knapp unter 100 Dollar bin ich mit einer Mini-Summe mit 10 Stücken eingestiegen. Einen möglichen Kursverfall bin ich gerne bereit auszusitzen, sollte die grundsätzliche Entwicklung des Unternehmens intakt bleiben.

Vielleicht wundert sich der ein oder andere, warum es in diesem Artikel um einen Wachstumswert ohne Dividende geht. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, einen gewissen Prozentsatz (zwischen 10 – 20 %) in aus meiner Sicht aussichtsreiche Wachstumsunternehmen zu investieren. Dies soll keine Abkehr von meiner Strategie sein, sondern lediglich eine Erweiterung darstellen. Nachdem ich mit 37 Jahren noch eine (hoffentlich) lange Investorenkarriere vor mir habe, möchte ich zumindest mit einem Teil des Porfolios die Chance offen halten, an starken Kursverläufen teilzuhaben. In einem der nächsten Artikel werde ich die Käufe für den Wachstumsteil noch einmal detaillierter darstellen.

Jetzt bin ich auf eure Meinung gespannt. Seid ihr ebenfalls in Fiverr investiert oder findet das Unternehmen interessant? Ich freue mich auf Kommentare.

Bei der Comdirect ist das Voting für den Publikumspreis des finanzblog-award gestartet. Ich würde mich freuen, wenn ihr hier für mich abstimmt.

 


Quelle der Grafiken und Bilder: Unternehmenswebsite, Traderfox.de

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2 Gedanken zu „Fiverr: Das neue Amazon?

  1. Miro Antworten

    Vielen Dank für die Analyse. Sehr schöner Blog, keep it up!
    Ich hab mir 30 zum Geburtstag gegönnt Ende April. Bisher lief’s ganz gut, aber ich gebe Dir völlig recht: man muss da ein Auge drauf haben, da mehr als die Hälfte der Kunden wohl keine guten Erfahrungen mit Fiverr machen. Auf der anderen Seite ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Schaumermaldannwermersehn.
    Mögen die Dividenden mit Dir sein!

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